. . Agentur für christliche Kultur

Soirée mit S.E. Kardinal Prof. Dr. Walter Brandmüller

Datum: Mittwoch, 23. März 2011, 19:30 bis 21:15 Uhr
Ort: Kulturzentrum Movimento, Neuhauser Straße 15, München
ZENIT-Bericht über den Abend mit Kardinal Brandmüller

Kardinal Brandmüller: Christentum kein Ergebnis einer literarischen Fiktion

Walter Kardinal Brandmüller Ein Salonabend mit einem der dienstjüngsten Kardinäle

Von Michaela Koller

MÜNCHEN, 24. März 2011 (ZENIT.org).- Der Idealfall für den Gastgeber eines Salongesprächs ist ein Gast, der zwar gefragt ist, aber nicht überall auftritt. Er sollte beim Gespräch sich selbst treu bleiben, aber dennoch Klischees ausräumen. Und er sollte sich wohl fühlen, während ihn einige Fragen doch noch so herausfordern, dass es der Begegnung die richtige Würze gibt. Der Publizist Michael Ragg erreichte diesen Fall am Mittwoch bei seiner Münchner Domspatz-Soirée mit Walter Kardinal Brandmüller. Der Kirchenhistoriker dozierte nicht, und als neuer Kardinal predigte er nicht. Vielmehr plauderte Brandmüller und legte zugleich Zeugnis ab. Ein Interviewabend verging wie im Flug mit Tiefgang.

„Ich bin laufend dabei, mich solcher Einladungen und Vortragsverpflichtungen zu erwehren", sagt er eingangs ironisch schmunzelnd und fast augenzwinkernd. Auf seinen Wahlspruch „Ignem in terram - Feuer auf die Erde" angesprochen, den er schon als Prälat gewählt hat, verweist er schlicht auf seinen Namen und die Brandrodung auf dem Landbesitz seiner Urahnen. „Sicher habe ich an die evangelische Bedeutung schon auch gedacht. Ich möchte Sie aber bitten, den Wahlspruch nicht allzu sehr zu pressen", sagt er unter Lachen und Applaus im Publikum.

Seine Stellungnahme zur Zölibatsdebatte im Januar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hingegen löste auch ablehnende Töne aus. So widersprach der Mainzer Kardinal Karl Lehmann seinem Mitbruder im Kardinalskollegium in einem Kommentar seiner Bistumszeitung. „Ich war einfach wütend", bekennt Brandmüller freimütig über seinen Antrieb, zum heißen Eisen Position zu beziehen. Nur mit diesem einen Satz antwortet er zunächst. Später, als Ragg ihn auf das Memorandum deutscher Theologen anspricht, rollt er mit den Augen.

Der Moderator fasst aber später noch einmal nach, was den Kardinal daran so geärgert hat. Besonders der Umstand, dass den ersten Brief Politiker verfasst hatten, erinnere Brandmüller an das landesherrliche Kirchenregiment seit der Reformation bis 1918. Die darin enthaltenen Forderungen seien „verstaubte alte Hüte", da es bereits Antizölibatsbewegungen seit der Aufklärung gebe, berichtet der Kirchenhistoriker. „Schon als Student wird man wegen des Zölibats bemitleidet, verspottet und schief angeschaut, als ob man nicht ganz normal wäre. Und irgendwann platzt einem dann der Kragen", bekennt er mit kräftiger Stimme.

Auf den Inhalt seines neuesten Buchs „Vernünftig glauben" mit Ingo Langner, [erschienen im November im Fe-Medienverlag], angesprochen, wird sein Tonfall auf einmal ernster, ruhiger. „Ich glaube an die göttliche Dreieinigkeit, nicht deswege, weil ich sie für vernünftig halte, sondern ich glaube daran, weil ich überzeugt bin, dass es vernünftig ist, daran zu glauben", bekennt der Kardinal. „Warum ist es vernünftig zu glauben", fragt er rhetorisch. Die Existenz Gottes könne man mit der Philosophie gut demonstrieren. „Ich muss sagen: Der Urknall, schön und recht, aber wer knallt denn da?" Es solle ihm jemand verständlich machen, dass etwas, das nicht vorhanden ist, knallen könne. Wenn es um die Menschwerdung Gottes gehe, sollte nicht der Philosoph oder der Dogmatiker zu Wort kommen, sondern der Historiker.

„Denn Jesus von Nazareth, um den es dabei geht, ist eine historische Person, sein Leben eine historische Tatsache." Die Geschichtsforschung habe gezeigt, dass die Evangelien noch zu Lebzeiten von Zeitgenossen Jesu verfasst worden seien. „Wenn die Evangelien Dinge enthielten, die nicht tatsächlich so passiert sind, dann wäre ein Schwindel dieser Art längst entlarvt", sagt der Kirchenhistoriker. „Wenn aufgrund dieser Botschaft auf einmal Tausende zum Glauben an Jesus Christus kommen, sich dafür verfolgen und sogar umbringen lassen, dann kann ich das doch nicht als Ergebnis einer literarischen Fiktion betrachten."

Vielen Katholiken attestiert der Historiker, gerade mit Blick auf die Kirchengeschichte, einen „profunden Minderwertigkeitskomplex", der nur mit einer einzigen Therapie behandelt werden könne: „mit Lesen, Bildung, Wissen." Mahnend ruft er dabei ins Publikum. Dass die Kirche aus Heiligen und Sündern bestehe, sei eben dogmatisch sicher. Leise und dabei schmunzelnd sagt er mit leichtem fränkischen Tonfall: „Es gibt auch Leute, die sich meinetwegen schämen." Die Versammelten lachen. Genüsslich nippt er dabei an seinem Wasser, als sei es ein edler Tropfen aus einem Bocksbeutel. Zu einer Revitalisierung der Kirche empfiehlt er einen „engen Anschluss an den obersten Hirten". „Das ist ganz entscheidend", betont er. „Wir müssen endlich wieder weltkirchlich denken, dann kommt uns auch die Bedeutung des Zentrums, des Petrusnachfolgers, wieder zu Bewusstsein."

Als Pfarrer würde Brandmüller den Wert von Gebet, Sonntagsgottesdienst, regelmäßiger Beichte und Kommunion sowie das Bemühen, Sünden zu lassen und Tugenden zu erwerben, betonen. „Ich würde dann versuchen, die Gemeinde zu einer wirklichen Mitfeier des Kirchenjahres hinzuführen." Es sei schließlich 25 Jahre selbst Pfarrer gewesen, betont er, dabei fest zum Moderator blickend. Und als Pastor, Hirte, erteilt er am Schluss den Anwesenden noch den Segen.

Prof. Dr. Walter Brandmüller, geboren 1929 in Ansbach, ein Priester der Erzdiözese Bamberg, studierte und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er auch als Privatdozent wirkte. Von 1970 bis 1997 lehrte er als Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Augsburg. Anschließend amtierte er als Präsident der Päpstlichen Kommission für Geschichtswissenschaften in Rom. Im November 2010 erhob ihn Papst Benedikt in den Kardinalsstand. Bereits kurz nach seiner Ernennung trat er den romkritischen Stellungnahmen deutscher CDU-Politiker und Theologieprofessoren deutlich öffentlich entgegen.

Ingo Langner
Ingo Langner hat Theaterwissenschaften und Gemanistik studiert. Heute lebt er als Filmemacher und Publizist in Berlin.

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